Wie alles begann
Waldgirmes, Ende der 1980er Jahre. Bei Feldbegehungen entdeckt Gerda Weller Keramik aus der Zeit um Christi Geburt. Die Tatsache, dass es sich bei den Scherben um römische als auch germanische Keramik handelt, veranlasste einige Jahre später die Römisch Germanische Kommission (RGK), erste Grabungen durchzuführen. Welche wissenschaftliche Sensation die Äcker und Wiesen bei Waldgirmes in sich bargen, ahnte damals noch niemand…

Germanenpolitik
Das Gründungsdatum von Waldgirmes spätestens 4/3 v. Chr. hat Konsequenzen für die Anfangsdatierung weiterer römischer Lager, insbesondere für die Gründung von Haltern. Der Beginn von Haltern dürfte auf Grund des höheren Anteils älterer Fundmünzen einige Jahre vor Waldgirmes erfolgt sein, also etwa zwischen 7 und 5 v. Chr. Der Tod des Drusus 9 v. Chr. bedeutete somit keinen Rückzug der Römer aus dem Gebiet zwischen Rhein und Elbe, sondern ist eher als Neudisposition der römischen Truppenstandorte zu verstehen, die wohl von Tiberius in den Jahren 8 und 7 v. Chr. durchgeführt wurde.
Obwohl die Schriftquellen für die folgenden Jahre wesentlich spärlichere Informationen bieten, verdeutlichen die Aktionen des Domitius Ahenobarbus ansatzweise den Handlungsrahmen der römischen Politik: An- und Umsiedlungen, indirekte Eingriffe bei einzelnen Stämmen sowie der Ausbau von Verkehrsverbindungen und Infrastruktur. So konnte Siegmar von Schnurbein für Haltern eine Ausweitung der Funktion auf zusätzliche administrative und logistische Aufgaben wahrscheinlich machen und mit der Gründung von Waldgirmes begann der Aufbau ziviler Strukturen.
Die Bedeutung der Ausgrabungen von Waldgirmes innerhalb dieses historischen Rahmens liegt im Nachweis einer im Entstehen begriffenen Stadt östlich des Rheins. Der Aufbau einer zivilen römischen Infrastruktur ist jedoch Voraussetzung und klares Anzeichen für einen beabsichtigten Übergang von der Eroberung zu direkten, dauerhaften Herrschaft. Obwohl die Frage, ob und falls ja, ab wann Rom die konkrete Absicht verfolgte, das rechtsrheinische Germanien als Provinz zu organisieren, nach wie vor kontrovers diskutiert wird, lässt sich mit dem Befund von Waldgirmes das zeitweilige Ziel einer Provinzialisierung vermutlich nicht mehr negieren, wobei die im Herbst 2005 in Waldgirmes gewonnenen dendrochronologischen Daten den Beginn dieser Bemühungen spätestens ab 4 v. Chr. belegen. Gleichzeitig zeigen sich immer deutlicher Unterschiede im römischen Vorgehen zwischen dem Rhein-Main Gebiet einerseits und dem Lipperaum andererseits. Während sich dort die römische Herrschaft vor allem in den Legionslagern von Haltern, Oberaden und Anreppen manifestierte, erscheint die Truppenpräsenz im Rhein-Main Gebiet nicht so ausgeprägt. Dies spricht für ein regional differenziertes Vorgehen bei der Organisation der römischen Herrschaft östlich des Rheins.
 
Die Entdeckung des römischen Stützpunktes
Erste Hinweise auf eine römische Präsenz in Waldgirmes kamen durch Frau Gerda Weller bei Feldbegehungen auf einer hochwasserfreien Terrasse etwa 1300 m nÖrdlich der Lahn zu Tage. Die geborgene Keramik aus der Zeit um Christi Geburt beinhaltete sowohl handgemachte germanische als auch römische, auf der Töpferscheibe gedrehte Scherben. Im Spätherbst 1993 führte die Römisch Germanische Kommission (RGK) des Deutschen Archäologischen Instituts in Frankfurt daraufhin eine Sondergrabung durch, in deren Verlauf erste Gruben aufgedeckt wurden. Eine geophysikalische Prospektion erbrachte im folgenden Jahr den leicht trapezoiden Umriß einer etwa 7,7 ha großen Befestigungsanlage mit abgerundeten Ecken. 1994 und 1995 unternahm die RGK im Rahmen eines Schwerpunktprogrammes der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) weitere Grabungen. Die Ausgrabungen werden seit 1996 gemeinsam von der RGK und dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Abteilung Archäologische und Paläontologische Denkmalpflege durchgeführt. Die Untersuchungen werden durch die Gemeinde Lahnau, die Stadt Wetzlar, den Lahn-Dill-Kreis und den Förderverein Römisches Forum Waldgirmes e.V. unterstützt.
 
Copyright der Grabungs- und Fundbilder: RGK